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Der letzte Akt des kalten Krieges

von Wolfgang Spahn

Die Debatten um das Humboldtforum, die sich vor allem auf den Umgang mit dem deutschen kolonialen Erbe, das diskussionswürdige Sammeln, Katalogisieren und Ausstellen von ethnologischen Artefakten, Raubkunst sowie menschlichen Gebeinen konzentrieren sowie Fragen zur postkolonialen Gegenwart thematisieren, lässt die politisch aufgeladene Architektur des Gebäudes mittlerweile in den Hintergrund treten.

Das Projekt „Der letzte Akt des kalten Krieges“ will den Blick genau auf diese historischen Implikationen des Gebäudes richten. Beginnend mit dem Rückbau des Palastes in den 2000er Jahren bis heute werden durch die fotografische Langzeitdokumentation die verschiedenen Schichten deutscher Nachkriegsgeschichte anhand der in das Gebäude eingeschriebenen Symbolpolitik sichtbar.

Das Ende des kalten Krieges, das 1988 mit dem Abzug der sowjetischen Truppen aus Afghanistan begann, sich in Gorbatschows Politik von Glasnost und Perestroika fortsetzte, schien greifbar – und für die Öffentlichkeit sichtbar – mit dem Fall der Berliner Mauer. Der diplomatische Prozess, der schließlich den Kalten Krieg im Zwei-Plus-Vier-Vertrag formal beendete, erstreckte sich allerdings nicht auf zivilgesellschaftliche, lobbyistische und (lokal-)politische Gruppen, die zumindest auf der Ebene der Symbolpolitik weiter um einen Sieg kämpften, der eigentlich längst gewonnen war.

Ein Kristallisationspunkt dieser Bemühungen um kulturelle Auslöschung des Ostblocks wurde der Abriss des Palastes der Republik, ein ohnehin symbolträchtiges Gebäude in der Deutschen und speziell der Berliner (Stadt-)geschichte. Damit sollte nicht nur der – in einem ebenfalls propagandistischen Akt erfolgende – Abriss des feudalen Berliner Stadtschlosses von 1950 rückgängig gemacht werden, sondern auch der vom DDR-Regime an dessen Stelle errichtete Volkspalast spurlos verschwinden. Diese, letztlich auf höchster bundespolitischer Ebene getroffene, Entscheidung für den Abriss des Palastes der Republik war insofern konsequent, als sie das System der „Gewinner“ des kalten Krieges nachträglich auch symbolisch legitimierte. Dass mit der Auslöschung des sozialistischen Erbes in der historischen Mitte Berlins eine kulturelle Leerstelle entstehen würde, haben auch die Befürworter des Bauvorhabens erkannt. Der Versuch, dem Vorwurf des Revanchismus durch Rückbezug auf das Erbe Humboldts elegant zu entkommen, kann angesichts des aufgeladenen postkolonialen Diskurses, der das Humboldtforum seitdem begleitet, als gescheitert betrachtet werden. Das Anrufen deutschen humanistischen Kulturerbes ist dabei ironischerweise genau jene Strategie, die ostdeutsche Künstler_innen wählten, um sich gegen politische Vereinnahmung durch das DDR-Regime zu wehren.

Installation "Der letzte Akt des Kalten Krieges"

Wolfgang Spahns Installation “Der letzte Akt des Kalten Krieges” ist sowohl Dokumentation als auch Auseinandersetzung mit dem Rückbau des Palastes der Republik und mit der Neuerrichtung des Schlosses – einer Rohbeton-Architektur, deren Barockverzierung zwar Fassade ist, aber deren Symbolgehalt auf die ihr innewohnende Siegerpose – und mit der historischen Rückbindung an die Kaiserzeit einmal mehr auch auf die kolonialen Implikationen – verweist.

Dokumentation und Verfremdung des Materials

Der seit den 90er Jahren in Berlin lebende österreichische Künstler Wolfgang Spahn hat seit 2006 den Rückbau des Palastes, die Zwischennutzung der Brache während der Finanzkrise sowie den Neubau des Schlosses fotografisch dokumentiert und so ein Korpus von mehreren Hundert Dia-Positiven geschaffen.

Das Korpus soll zunächst gesichtet und eine Auswahl von ca. 600 Dia-Positiven getroffen werden. Diese werden mit Miniatur-Dia-Malerei von Hand nachbearbeitet, unter Verwendung feinster Pinsel, Lasuren, scharfer feiner Messer sowie Nadeln – eine Technik, mit der Wolfgang Spahn seit mehr als zwei Dekaden arbeitet. Diese analoge Form der Bildbearbeitung lehnt sich an Techniken der klassischen Malerei an, sie ergänzt vorhandene Bildinformationen und hebt spezifische Details hervor. Sie kann als Verfremdung und als Ergänzung der Fotografie aufgefasst werden und verweist damit zugleich auf die Ursprünge der heute dominanten digitalen Verfahren.

Für die Installation werden aus den bearbeiteten Diapositiven 480 Dias ausgewählt und zu einer Multivision zusammen gestellt. Zudem wird eine digitale Überblendsteuerung entwickelt, da die vorhandenen Original-Technologien nicht mehr zuverlässig arbeiten.

Realisierung der Installation

Aus dem so bearbeiteten bzw. verfremdeten Material entsteht unter Verwendung von drei Überblend-Karussell-Projektionen eine Licht-Klang-Multivision, die die Bilder sowohl in chronologischer als auch in umgekehrt chronologischer Reihenfolge projiziert. Dabei soll dem Rückbau und dem Wiederaufbau gleichermaßen viel Raum eingeräumt werden, um eine unendliche Wiederholung des Aufbaus und des Rückbaus von Schloss und Palast zu visualisieren. Da Karussell-Projektoren, einmal gestartet, keinen Anfang und kein Ende kennen, entsteht eine Zeitschleife, in der mit dem permanenten Entstehen und Vergehen des Palastes und des Schlosses sich zugleich die Geschichte immer aufs Neue wiederholt. Durch eine Sonifikation der Installation wird eine Geräuschkulisse erzeugt, die das Baugeschehen selbst als erlebte Realität in der Stadt hörbar macht. Dazu werden die mechanischen Geräusche der Karussell-Projektoren abgenommen, verstärkt, verfremdet und als Soundcollage der Installation unterlegt.

Im Zentrum der Installation dient eine frei im Raum schwebende weiße Pyramide als (dreiseitige) Projektionsfläche. Die der Architektur einer Pyramide sonst innewohnende Schwere wird durch Fragmentierung der Leinwände aufgebrochen, so dass die Leere im Inneren des Körpers sichtbar wird. Die Pyramide, ohnehin Symbol für den Wunsch nach Ewigkeit in der Architektur einerseits und gigantische Grabstätte andererseits, verweist hier zugleich auf das neue ideelle Zentrum des Humboldtforums, dass den kolonialen Zuschreibungen an das Andere des Westens zwar entkommen möchte, aber diesen Raum bisher nicht zu füllen vermag und so letztlich der Projektion des Eigenen auf das Andere verhaftet bleibt.




Wolfgang Spahn is a visual & sound artist based in Berlin. His work includes installations, performances of light & sound and miniature-slide-paintings. His art explores the field of analogue and digital media and focuses on both their contradiction and their correlation.
He is faculty member of the Sound Studies and Sonic Arts, Berlin University of the Arts.

Katalog Kybersonor_2022_DE
Portfolio_Wolfgang Spahn DE
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OPEN HARD- & SOFT-WARE

Here is most of the hard- and software the artist developed for his artwork.
DER NULLEFFEKT
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- Paper Synthesizer
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